Nach der These der indirekten Landnutzungsänderung (indirect Land Use Change, iLUC) werden die Rohstoffe für Biokraftstoffe auf Flächen produziert, die bisher zum Beispiel für die Herstellung von Lebensmitteln genutzt wurden. Grund hierfür ist, dass Rohstoffe für Biokraftstoffe aufgrund von Nachhaltigkeitsvorschriften nur auf explizit für eine landwirtschaftliche Nutzung ausgewiesenen Flächen angebaut werden dürfen. Die Lebensmittelproduktion müsse daher ausweichen und werde auf bisher nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen wie Regenwälder oder Torfmoore verlagert, so die These weiter.
Die vermeintlich gestiegenen Treibhausgasemissionen durch die Regenwaldrodung und die Trockenlegung der Moore müssen nach der iLUC-These der Treibhausgas-Bilanz der Biokraftstoffe zugerechnet werden, da diese Auslöser für die Veränderung der Flächennutzung seien.
Nach der iLUC-These geschieht dieser Verdrängungseffekt nicht nur innerhalb eines Landstrichs oder innerhalb eines Landes, sondern weltweit. Zugespitzt ausgedrückt soll der Landwirt, der in Mecklenburg-Vorpommern oder in der Oberpfalz Raps anbaut, Emissionen angerechnet bekommen, die durch die Abholzung von Regenwald in Indonesien entstehen. Die dahinter stehende Logik: Der deutsche Landwirt hätte eine Pflanze für die Nahrungsmittelproduktion angebaut, wenn er nicht Rohstoffe für die Biokraftstoffproduktion geliefert hätte.
Klar ist aber: Der iLUC-Effekt ist nicht tatsächlich messbar, sondern nur theoretisch anhand von Modellen darstellbar. Denn der gerodeten Regenwaldfläche in Indonesien ist nicht zu entnehmen, ob sie tatsächlich deshalb gerodet wurde, weil in Mecklenburg-Vorpommern ein Landwirt die Entscheidung zum Rapsanbau für die Biokraftstoffproduktion getroffen hat.
In einer Studie des Beratungsinstituts studio gearup aus dem Jahr 2021 zeigen die Autoren, dass die bisherigen für europäische Rohstoffe angenommenen iLUC-Effekt auf fehlerhaften Annahmen beruhen: Die große Steigerung der Biokraftstoffproduktion fand in den Jahren bis 2010 statt. Die dafür verwendeten Rohstoffe stammten zumeist von Stilllegungsflächen, so dass keine Verdrängung stattfinden konnte. Zudem gab es in der Zeit große Züchtungserfolge, die ebensowenig Verdrängungen zur Folge haben konnten. Die Studie ist hier abzurufen.
Prof. Dr. Matthias Finkbeiner von der TU Berlin äußert dagegen grundsätzliche Bedenken zum wissenschaftlichen Ansatz der iLUC-Theorie. Seine Arbeit kann hier heruntergeladen werden, die Zusammenfassung steht hier zum download bereit und ist im Journal "Biomass and Bioenergy" unter dem Titel "Help beyond the Hype" veröffentlicht worden.
Die Kritikpunkte des VDB gegen die iLUC-These und Forderungen des Verbandes sind in diesem Papier zusammengefasst. Mehrere Verbände aus der Biokraftstoffbranche haben gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband ihre Kritik an iLUC in diesem Positionspapier foruliert. Darin ist auch ein Vorschlag enthalten, wie mit Landnutzungsänderungen umgegangen werden sollte.