Kontroversen um Biokraftstoffe

Biokraftstoffe werden mitunter kritisch gesehen. Zwei wesentliche Vorwürfe lauten, dass mit ihrem Einsatz das Nahrungsangebot verknappt wird und mit dem Anbau der Biomasse sogenannte indirekte Landnutzungsänderungen (iLUC) einhergehen. Als Biokraftstoffbranche stellen wir uns diesen Themen und möchten zu einer Versachlichung der Debatte beitragen. Dabei werfen wir einen Blick auf die Fakten zu Biomassenutzung, Anbauflächen und Ernährungssicherheit. Vorab: Die Herstellung von Biokraftstoffen liefert immer auch so genannte Koppelprodukte, die in die Betrachtung mit einbezogen werden müssen. Das mengenmäßig bedeutendste Koppelprodukt – heimisches Proteinfuttermittel – wird in der Tierernährung eingesetzt und verringert den weiterhin bestehenden Importbedarf.

Flächenbedarf: Ganze 2 Prozent

Agrarrohstoffe – zum Beispiel Getreide oder Mais – werden zu 60 Prozent an Tiere verfüttert. 12 Prozent dienen direkt zur menschlichen Ernährung. Wie steht es um den Rest? 16 Prozent werden als Bioenergie genutzt, worunter insbesondere Holz und Biogas fallen; 10 Prozent zur stofflichen Nutzung, beispielweis in der Chemieindustrie oder für Kosmetika. Ganze 2 Prozent der weltweiten Biomassenachfrage entfallen auf Biokraftstoffe. Ein verblüffend niedriger Anteil, wenn man die mitunter lautstarke Kritik rund um das Thema in Rechnung stellt.

Weltweite Biomassenachfrage nach Sektoren

Quelle: Hauptgutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) 2020

Nahrungsmittelverluste sind unverändert ein erhebliches Problem: Laut UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO schaffen es pro Jahr 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel nicht auf den Teller. Wesentliche Gründe sind Verluste, die bei Anbau, Lagerung und Verarbeitung entstehen.

Hungersnöte sind zumeist Folgen von Kriegen und Wetterextremen, Armut und korrupten Regierungen.

Tank UND Teller: Biokraftstoffhersteller tragen auch zur Ernährung bei

Wichtig zu wissen: Biokraftstoffhersteller nutzen nur einen Teil der landwirtschaftlichen Rohstoffe zur Kraftstoffproduktion. Beim heimischen Raps sind es etwa 40 Prozent, nämlich das Rapsöl, das aus der Rapssaat gepresst und extrahiert wird. Die übrigen rund 60 Prozent, das feste Rapsschrot, dienen hingegen als wertvolles Eiweißfuttermittel. Rapsschrot sowie Getreideschlempe aus der Bioethanolherstellung sind die wichtigsten Eiweißfuttermittel für die Nutztierfütterung in Deutschland. Diese Koppelprodukte der Biokraftstoffproduktion tragen dazu bei, die Abhängigkeit von importiertem Soja aus Übersee zu reduzieren und fördern damit die heimische Futtermittelversorgung. Es ist bereits in der Wertschöpfungskette angelegt: Biokraftstoffe und Lebensmittel werden gleichzeitig produziert, Tank und Teller gehören zusammen.

„Ohne die eiweißreichen Nebenprodukte der deutschen Biokraftstoffproduktion würden die Sojaimporte aus Südamerika stark steigen. So schützen wir unter anderem den Amazonas-Regenwald, anstatt ihn zu gefährden.“

Produktionsanreiz – und Puffer bei Nahrungsmittelengpässen

In Deutschland werden auf etwa 7 Prozent der Ackerflächen Raps, Getreide und Zuckerrüben für Biokraftstoffe angebaut. Die Nachfrage der Biokraftstoffindustrie ist für viele Bauern ein wichtiger Produktionsanreiz – mit verschiedenen positiven Folgen. Beispiel Biodiesel: Landwirte bauen Raps in einer drei- bis vierjährigen Fruchtfolge auf den Feldern an. Dadurch werden einseitige, getreidelastige Fruchtfolgen durchbrochen, der Schädlingsdruck sinkt, und Bodenbeschaffenheit sowie Nährstoffverfügbarkeit werden durch die tiefwurzelnde Rapspflanze deutlich verbessert. Die auf den Rapsanbau nachfolgende Getreideernte steigt deshalb um rund 10 Prozent – ohne zusätzliche Düngung.

Diese Produktionsanreize zahlen sich in unsicheren Zeiten aus: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine waren die Rohstoffvorräte der Biokraftstoffproduktion ein wichtiger Puffer, um fehlende Lieferungen aus der Ukraine auszugleichen. So konnte Rapsöl, das nicht zu Biodiesel verarbeitet wurde, fehlendes Sonnenblumenöl aus der Ukraine ersetzen. Die Landwirtschaft produziert diese Rohstoffmengen aber nur, wenn die Nachfrage gesichert ist. Ohne die Biokraftstoffproduktion würde folglich nicht mehr, sondern wahrscheinlich sogar weniger Agrarrohstoff zur Verfügung stehen.

Biokraftstoffförderung unterstützt entwicklungspolitische Ziele

Die Länder des globalen Südens brauchen einen starken Agrarsektor, um sich wirtschaftlich zu entwickeln und die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Über viele Jahre hat die EU diese Märkte jedoch mit exportsubventionierten landwirtschaftlichen Produkten geflutet. Die EU-Biokraftstoffpolitik hat hier einen Paradigmenwechsel bewirkt: Die Biokraftstoffindustrie hat sich als Abnehmer struktureller europäischer Agrarüberschüsse etabliert und damit Bauern hierzulande und in Entwicklungsländern neue Perspektiven geschaffen.

iLUC – ein zweifelhaftes Konzept

Die EU-Gesetzgebung verbietet so genannte direkte Landnutzungsänderungen: das Roden von Primärwäldern, das Trockenlegen von Torfmooren oder das Umbrechen von Flächen mit hoher Biodiversität, um Biomasse für Biokraftstoffe anzubauen. Denn die Umwandlung der Flächen hat gravierende negative Folgen: Erstens setzt sie klimaschädliches CO2 frei. Zweitens wird die biologische Artenvielfalt bedroht. 

Kritiker von Biokraftstoffen berufen sich daher auf „indirekte Landnutzungsänderungen“ (iLUC). Das meint einen theoretischen Verdrängungseffekt: Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion werden auf Flächen angebaut, die zuvor dem Nahrungsmittelanbau dienten. Für den Ausgleich der entfallenen Anbaufläche für Nahrungsmittel wird woanders eine neue Anbaufläche erschlossen. Das dort zuvor gebundene CO2 wird freigesetzt. Die iLUC-Theorie besagt, dass dieser durch Verdrängung ausgelöste Treibhausgasausstoß in der Bilanzierung der Biokraftstoffe berücksichtigt werden sollte. Dies führe dazu, dass die THG-Bilanz von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse negativ werde, Biokraftstoffe also mehr Treibhausgase ausstoßen als Benzin und Diesel.

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Weltklimarat IPCC: Theorie nicht haltbar

Bereits der Ansatz dieses Konzepts stößt auf wissenschaftliche Bedenken. Führende Ökobilanz-Experten kritisieren, dass die iLUC-Theorie ausschließlich auf Biokraftstoffe angewendet wird – und nicht auf alle Nutzungen landwirtschaftlicher Biomasse. Aus guten Gründen werden in Lebenszyklusanalysen nur direkte Effekte berücksichtigt. Beachtet man indirekte Effekte bei Biokraftstoffen, dann müssten sie auf alle Produkte angewendet werden. Aufgrund der großen Unsicherheiten und Ungereimtheiten befinden die Autoren des Weltklimarats im „IPCC Special Report Climate Change and Land“: „Es besteht wenig wissenschaftliches Vertrauen in die Zurechnung von Emissionen aus iLUC auf Bioenergie.“ 

Grundlage der iLUC-Regelung in der Biokraftstoffpolitik: fehlerhafte Annahmen

Das Beratungsinstitut studio Gear Up hat 2021 zudem gezeigt, dass die bisher für europäische Rohstoffe angenommenen iLUC-Effekte auf fehlerhaften Annahmen beruhen: Die Steigerung der Biokraftstoffproduktion fand hierzulande in den Jahren bis 2010 statt. Die dafür verwendeten Rohstoffe stammten zumeist von früheren Stilllegungsflächen, so dass keine Verdrängung landwirtschaftlicher Produktion stattfinden konnte. Zudem gab es in der Zeit große Züchtungserfolge, die zu weniger Landnutzungsbedarf führten. Im Ergebnis sei die THG-Bilanz von Biodiesel aus Rapsöl klar positiv: Rapsbiodiesel reduziert die THG-Emissionen selbst bei Berücksichtigung indirekter Landnutzungsänderungen um mehr als 60%, ist also klar deutlich besser als fossiler Dieselkraftstoff.

Die im Jahr 2015 auf EU-Ebene verabschiedeten iLUC-Regelungen begrenzen im Sinne des Vorsorgeprinzips den Anteil von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse. Sie berücksichtigen die mit mathematischen Modellen berechneten iLUC-Effekte jedoch nicht 1:1 in der Gesetzgebung; die so genannten iLUC-Faktoren werden nicht in die THG-Bilanz von Biokraftstoffen einbezogen. Dies ist ein Beleg dafür, dass die EU-Politik den iLUC-Berechnungen selbst nicht traut. Stattdessen wird der Anteil anbaubiomassebasierter Biokraftstoffe bis 2030 auf ihren Anteil im Jahr 2020 von 4,4 Prozent am Kraftstoffmarkt gedeckelt.

Ansprechpartner
Gunnar Placzek

Referent Politik
+49 (0)30 726259-10
placzek@biokraftstoffverband.de

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