Die deutsche Biokraftstoffindustrie fordert, dass die politischen Entscheidungsträger in Brüssel wissenschaftliche Erkenntnisse zu Biokraftstoffen berücksichtigen. Deshalb sollte der europäische Gesetzgeber davon absehen, so genannte indirekte Landnutzungsänderungen (indirect Land Use Change, iLUC) in die Treibhausgasbilanz von Biodiesel und Bioethanol einzubeziehen. Die Wissenschaft erklärt deutlich, dass die iLUC-Theorie große Schwächen aufweist und hochgradig unsicher ist. Morgen werden sich zu diesem Thema Vertreter des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates treffen, um über die zukünftige Biokraftstoffgesetzgebung und insbesondere iLUC-Regelungen zu verhandeln. Der Weltklimarat IPCC hatte festgestellt, dass die Ergebnisse der iLUC-Theorie nicht messbar sind, nicht überprüfbar, abhängig von Annahmen und politischen Entscheidungen. Die Autoren des wissenschaftlichen Dienstes der Europäischen Kommission (JRC) heben hervor, dass weiterhin strukturelle Schwierigkeiten bei der Modellierung von iLUC-Faktoren bestehen. Andere Wissenschaftler wie das Washingtoner IFPRI-Institut nennen die Unsicherheiten bei der Berechnung von iLUC „erheblich“ und warnen davor, iLUC in die Gesetzgebung für Biokraftstoffe einzubeziehen. Aufgrund der Unsicherheiten hatte ein Ausschuss der ISO-Normungsgruppe es abgelehnt, iLUC-Faktoren in die Norm für Nachhaltigkeitskriterien von Biomasse aufzunehmen. „An jeglicher wissenschaftlichen Expertise vorbei wollen einige Politiker des Europäischen Parlaments mit fadenscheinigen Argumenten Biodiesel vom Markt drängen. Das soll ausgerechnet wegen der angeblich schlechten Treibhausgasbilanz geschehen, obwohl Biokraftstoffe im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen bereits heute 60 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen“, sagte Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB).
Würde iLUC berücksichtigt, wäre automatisch das Ende der Produktion und Nutzung von Biodiesel in Europa absehbar, weil der alternative Kraftstoff schlechtgerechnet würde und somit nicht mehr die gesetzlich vorgeschriebene Treibhausgasreduktion erreichen könnte.
Trotz der klaren wissenschaftlichen Ablehnung fordert der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments mit einer dünnen Mehrheit, dass iLUC-Faktoren ab dem Jahr 2020 verpflichtend in die Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen einberechnet werden sollen. Dagegen folgt der Europäische Rat der wissenschaftlichen Expertise und lehnt iLUC-Faktoren ab, ebenso wie die Europäische Kommission.